Auch unter meinen Ahnen gab es Opfer der Pest zu beklagen.
In Grenzach grasierte 1629 die Pest. Fast alle Mitglieder der
Familie Hartmann fielen ihr zum Opfer.
In Grenzach grasierte 1629 die Pest. Fast alle Mitglieder der
Familie Hartmann fielen ihr zum Opfer.
Grenzach
und die Pest von 1629
von Erhard Richter
Im
Sommer des Jahres 1629 suchte die Pest zum letzten mal Grenzach heim
und
raffte bis zum Ende des Jahres 110 Menschen dahin. Noch nicht 20
Jahre
waren
damals vergangen, seit ihr in den Jahren 1610/11 250 Einwohner zum
Opfer
gefallen waren.
So
hatte also der damals noch sehr kleine Ort Grenzau in kürzester Zeit
360 Tote zu beklagen.
Aus
diesen erschütternden Zahlen wird deutlich, welche Geißel die Pest
für die
Menschen
des Mittelalters gewesen ist. Mit grausamer Regelmäßigkeit befiel
sie
weite
Teile Europas und hinterließ überall furchtbares Leid. Allein
zwischen 1347
und
1350 sollen ihr schätzungsweise 25 Millionen Menschen zum Opfer
gefallen
sein,
was ungefähr einem Drittel der damaligen europäischen Bevölkerung
entsprach.
Zwischen
1094 und 1668 wurde Basel und seine Umgebung von nicht weniger
als
26 großen Pestepidemien überzogen, so dass man also
durchschnittlich alle
23
Jahre mit dieser schrecklichen Seuche rechnen konnte.
Über
die Herkunft der Pest war man sich sehr lange im unklaren. Viele
nahmen
an, dass sie einfach schicksalsmäßig aus dem Innern der Erde
ausbreche.
Andere
wieder machten die Konstellation der Sterne dafür verantwortlich,
wie
etwa
ein Basler Mathematiker, der behauptete, daß die Pest immer dann
entstehe,
wenn
Saturn, Mars und Jupiter im Sternbild des Krebses, Widders oder
der
Jungfrau zusammenträfen. Vorzeichen für ihren nahen Ausbruch sah
man
in
fallenden Kometen, unerhörten Donnerschlägen, Erdbeben,
Sonnenfinsternissen,
Heuschreckenplagen,
Mißgeburten sowie in der blutigen Farbe des Mondes. Viele
vermuteten,
daß die Seuche von den Juden heimlich übers Meer gebracht
wurde,
um die Christen zu verderben. Deshalb beschuldigte man diese dann
vielfach,
ein
geheimnisvolles, aus dem Orient stammendes Gift in die Brunnen
geworfen
zu haben, und nur zu oft arteten diese Beschuldigungen in furchtbaren
Verfolgungen
aus. Infolge dieser Verdächtigungen wurden während der großen
Basler
Pest (1347-1350) auch die Juden dieser Stadt auf einer Rheininsel in
ein
Holzhaus
zusammengetrieben und dort lebendig verbrannt.
Da
man diese Krankheit auch oft als verdiente Strafe Gottes für die
sündige
Menschheit
ansah, zogen damals viele Geißler durch die Städte und Dörfer und
riefen
die Leute zur Buße auf. Diese Asketen forderten radikale
Veränderungen
des
staatlichen und geistigen Lebens und nahmen meist auch scharf
Stellung gegen
den
damaligen Klerus. Oft stachelte diese Büßerbewegung die Bevölkerung
auch
gegen
die Juden auf.
Als
Hauptmittel zur Bekämpfung der Pest betrachtete man das Räuchern
der
Wohnungen.
Dazu verwendete man im allgemeinen Wasser und Vitriol, das man
dann
mit Hilfe eines glühend gemachten Ziegelsteines verdampfen ließ. Um
die
durch
die Pest dick gewordene Luft zu reinigen, gebrauchte man auch
Rauchkerzen
und
viele aromatische Stoffe, wie etwa Mastix, Rosmarin, Salbei, Majoran,
Sölplinkraut
Wacholderholz, 'Wermut, Muskatnuß und Sauerampfer. Zum
vermeintlichen
Schutz
vor der Pest trug man auf der Brust sogenannte Herzsäckchen,
die
mit aromatischen Stoffen gefüllt waren. Um den Hals hing man in
Leder
eingenähte
Haselnüsse, in denen sich Quecksilber und Arsen befand. Um sich vor
Ansteckung
zu schützen, trug man außerdem noch vor Mund und Nase Tücher,
die
mit Rautenessig, Kampfer und Theriak genetzt waren.
In
ihrer Not schuf sich die Bevölkerung auch sogenannte Pestpatrone,
wie z. B.
die
Heiligen Sebastian, Rochus und Karl Borromäus, die man um Hilfe vor
der
Pest
anflehte.
Nach
diesen allgemeinen Bemerkungen wollen wir nun den Verlauf der
Grenzacher
Pest
vom Jahre 1629 anhand der Kirchenbucheintragungen verfolgen.
Am
3. Juli stoßen wir dabei auf folgenden Vermerk: „Andreas, ist Hans
Heuser des
Küehirten
Stieffsohn gewesen, so Mittwochs abendts zuvor gestorben“.
Bei
diesen Todesfall scheint man anfangs noch nicht gewußt zu haben,
dass es sich um
ein
Opfer der Pest handelte, denn erst nach der Aufzeichnung der
folgenden Verstorbenen
wurde
dann mit der dort verwendeten dunkleren Tinte hinter dem Eintrag vom
3. Juli ver-
merkt:
„Hic posterior peste extinctus est“ („Dieser letztere ist an
der Pest gestorben“). Der damalige Pfarrer, Magister Hinderecker,
fährt dann in seinen Eintragungen wie folgt weiter:
„Montag
den 13 Julii, ist gestorben Sara, so bey sein Vettern Matthis Fischer
alhier gewesen, und Dienstag den 14 frühe am Tag begraben worden.
Peste interiit“ („Starb an der Pest“). „ Mittwoch den 15
Julii in der Nacht umb zwey Uhren vor Tag ist gestorben Madlen des
Kühehirten stiefftochter eodem, quo duo priores, morbo extincta“
(„an der selben Krankheit verstorben wie die zwei früheren“),
und selbigen tags spat uf die nacht umb Bettzeit begraben worden“.
Etwa
2 Wochen lang wurde nun kein Pestfall mehr verzeichnet, doch Ende
Juli bricht dann die Seuche mit um so stärkerer Gewalt aus. Am 29.
Juli stirbt Maria Hertzigin und am 30. Juli Barbel Soldnerin sowie
das neugeborene Kind Hans Manz. Diesen beiden folgen dann im August
gleich 34 Menschen in den Tod. Am 27. August muß der schwer geprüfte
Magister Hinderecker allein 6 Tote beerdigen. Am 1. September
vermerkt der Pfarrer: „Hic jam incipit September Anni 1629. Deus
nobis sit propitius“ („Hier beginnt schon der September des
Jahres 1629. Gott sei uns gnädig“). Doch in diesem Monat erhöht
sich die
ZahI
der Toten sogar noch auf 37. Im Oktober läßt die Seuche dann in
ihrer Intensität nach, aber noch vor Ablauf des Monats finden wir im
Kirchenbuch bereits den hundertsten Toten verzeichnet. Am 31. Oktober
erkrankt dann auch das Kind des Pfarrers, wie wir aus folgender Notiz
ersehen: ,,Diesen letzten octobris ist auch meine innige herzliebe
Tochter krank worden, deren wolle der Barmherzige Herrn Jesus, der
allerbeste Arzt und Nothelfer widerumb gnediglich aufhelffen."
Gegen
Jahresende erlosch dann die Pest wieder, nachdem sie 110 Menschen
dahingerafft hatte. Matthis Fischer, dessen nach Grenzach zu Besuch
gekommene Cousine Sara vielleicht die Pest eingeschleppt hatte,
scheint am 21. Dezember ihr letztes Opfer geworden zu sein. Damit
endete für unser Dorf die letzte Heimsuchung durch die Pest. Bei der
geringen Größe des damaligen Ortes Grenzach ist es wahrscheinlich,
dass dabei kaum ein Haus von ihr verschont geblieben ist. Die hier
folgende Liste der an der Pest von 1629 Gestorbenen kann nicht
vollständig sein, da manche Stellen des alten Kirchenbuches sehr
beschädigt sind und deshalb oft Lücken aufweisen. Nicht mit
Sicherheit zu entziffernde Namen werden mit Fragezeichen versehen.
Die schon genannten Opfer der Pest werden hier nicht noch einmal
aufgeführt.
August:
Maria
Buchererin Eva Stürmin
Barbel Kieferin
Jacob
Herzig Barbel Buchererin
Hans Müller
Jost
Schneider Esbeth Herzigin
Hans Hartmann
Margreth
Herzigin Maria von Inzlingen, Hans Brunners
Maria und Fritzlin,
Margreth
Müllererin Magd alhie
Heini Müllers Kinder
Hans
Guhl Hans Brunner
Agnes Stürmin
Jerg
Bucherer Hansle Müller
Anna Danzerin
Andreas
Bucherer Hans Haberer
Pentela
Gul Wertlin Haberer
Catharin
Stürmin Hans Herzig
Susanna
Manzin Anna Stürmin
September: Oktober:
Maria
Ludin, Margreth Hartmännin, Johannes Hartmann, Anna Habererin, N.N. Hartmännin, Jerg Schacher
Bernhard
Fischer, Hans Hartmann, Jacob Ludin, Catharina Hartmännin, Hansle Rantz ,Susanna Wagnerin
Potentia
Pflüger, Anna Habererin, Verena Herzigin, Christinlin Hartmännin, Wolf Kieffer, Wölffin Wagner,
Anna
Frey, Anna Delerin (oder Deberin?), Jerg Hartmann Barbel Wetzel, Margreth Hartmännin, Anna Blutbacher,
Cunrad
Müller, Agnes Wagnerin, Hans Jacoblin Ludin, Eva Hartmännin, Diebold Rantz, Catharin Rantzin und
N.N.
Danzerin, Annelin Kiefferin, Bantle Wagner, Jacob Wetzel
Tilge
Brunnerin, Maria Kiefferin, Hans Cunrad Wagner,
Eva
Herzigin, Engerlin Hartmann, Max Schacher November:
Sibylla
Brötlin, Susanna Plügerin, Hans Schacher,
Margreth
Müllerin, Wölfin Brunner, Hans Jacob Wagner, Engelin Bucherer, Dorle Hartmännin, Verena Gerspach,
Hans
Hartmann, Annelin Brunnerin, Margreth Dorm und Hansle Mantz, Jacob Wetzel und Eva Soldnerin
Maria
Pflügerin
Dezember:
Mathis
Fischer
Wenn man die Namen dieses
(unvollständigen) Verzeichnisses nach Geschlechter zu-
sammenstellt, so kommt
man zu folgendem Ergebnis: Das Geschlecht der Hartmann wurde am
härtesten betroffen und hatte allein 13 Tote aufzuweisen.Ihm folgen
dann die Geschlechter Herzog mit 7 sowie Müller und Wagner mit je 6
Todesfällen, während die Bucherer 5 Opfer zu beklagen hatten. Die
anderen Pestopfer verteilten sich dann wie folgt auf die Grenzacher
Geschlechter Brunner (4), Haberer (4), Kiefer (4), Sturm (4), Ludin
(3),
Ranz (3), Schacher (3),
Wetzel (3), Danzer (2), Guhl (2), Soldner (2), Blutbacher (1),
Brötlin (1), Deler oder Deber (1), Dorm (1), Fischer (1), Frey (1),
Gerspach (1), Schneider (1).
'Wenn
man bedenkt. dass infolge der schlechten Überlieferung nur 88 Namen
der
110 Toten bei dieser Statistik berücksichtigt werden konnten, dann
wird
leicht
ersichtlich, dass bei den meisten Geschlechtern noch höhere
Verlustzahlen
angesetzt
werden müssen.
So
hat die Pest innerhalb von etwa 5 Monaten unvorstellbares Leid über
die
Bewohner
Grenzachs gebracht. Und dabei waren noch nicht einmal 20 Jahre
vergangen,
seit
ein noch schrecklicherer Pestlauf 250 Menschen dahingerafft hatte.